Informationen

Was sind Ballaststoffe

Pflanzliche Fasern sind Ballaststoffe  (Präbiotika) die von unserem Verdauungssystem nicht abgebaut werden können und damit anders als Nährstoffe, wie Kohlenhydrate und Fette, von unserem Körper nicht zur Energiegewinnung verwendet werden. Sie bestehen aus zwei Hauptkomponenten: unlösliche Fasern (im Wesentlichen Zellulose und Lignin) und lösliche Fasern wie Galakto-Oligosaccharide und Frukto-Oligosaccharide. Gerade die letzteren sind aber kein Ballast, sondern werden von unseren Darmbakterien in gesunde Produkte zerlegt, die kurzkettigen Fettsäuren (englisch, short-chain fatty acids, Abkürzung = SCFAs) Azetat, Propionat und Butyrat entstehen. Von diesen kurzkettigen Fettsäuren profitieren nicht nur die Darmbakterien, sondern ebenfalls wir Menschen: unser Darm, Leber sowie weitere Organe verwerten diese SCFA als Nahrungsquelle. Zusätzlich regulieren die SCFA als Signalmoleküle unseren Energiehaushalt, den Blutdruck und das Immunsystem, und sind so für unsere Gesundheit insgesamt von immenser Bedeutung. Damit nicht genug, die Darmbakterien produzieren  auch Vitamine, das Glückshormon, Serotonin und andere wichtige Metabolite für den menschlichen Körper.
Der Körper braucht insgesamt ca. 30 Gramm der unverdaulichen Pflanzenfasern, um damit auch noch zwei weitere Funktionen auszuführen: Als „Reinigungsmittel“ bindet im Darm ballaststoffreiche Kost Wasser, Gifte und schwer verdauliche Substanzen, die dann leichter  ausgeschieden werden können. Da die Ballaststoffe die natürliche Darmbewegung anregen, fungieren so zusätzlich als „Personal Trainer“ des Magendarmtrakts.

Ballaststoffe werden in soviel Gutes für den menschlichen Körper umgewandelt. Wer oder was macht diesen Super-Job?
Unter dem Begriff Darm-Mikrobiota versteht man die Gesamtheit aller im Darm lebenden Mikroorganismen, also Pilze, Viren, Bakterien, Urbakterien (Archaea) und Einzeller. Das sind beim Gesunden ca. 10.000.000.000.000 Mikroorganismen mit einem Gesamtgewicht von ca. 1-2 kg (Honda Lipmann 2012.). Demgegenüber beschreibt der Begriff Darm-Mikrobiom die Gesamtheit der genetischen Information dieser Lebewesen (= 10 Millionen Gene). Häufig werden diese Begriffe aber gleichwertig verwendet.  Die im menschlichen Darm nachgewiesenen mehr als 1.000 verschiedene Bakterienarten können in folgende sechs häufigste Gruppen unterteilt werden:
1. Firmicutes, Produzent von Butyrat, und 2. Bacteroidetes, Produzent von Azetat und Propionat. (= 90% der Bakterienarten). Weiterhin vorhanden sind 3. Proteobacteria, 4. Actinobacteria, 5. Fusobacteria und 6. Verrucomicrobia (Eckburg 2005, Woting 2016). Diese Gruppen gehören zu den echten Bakterien; daneben finden sich auch Spezies der Urbakterien, die Archaea, wie das methanbildende Methanobrevibacter smithii und eukaryontische Lebewesen wie der Hefepilz Candida.
Wie sensibel die Bakterien-Zusammensetzung im Darm ist, lässt sich sehr gut an Neugeborenen und deren Entwicklung nachvollziehen. Während der Geburt wird der sterile Darm des Neugeborenen durch Kontakt mit der Mutter von Mikroorganismen kolonisiert. Dabei spielen die Art der Geburt (Geburtskanal oder Kaiserschnitt, Hausgeburt oder Entbindung im Krankenhaus), längeres Stillen, aber auch Antibiotikagaben während der Schwangerschaft oder der frühen Kindheit, eine wichtige Rolle. In der Regel ist ab dem 3. Lebensjahr die endgültige Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota erreicht, die dann während des gesamte Erwachsenenlebens relativ konstant bleibt. Im Alter ändert sich die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms deutlich, wobei Bakteroidetes-Arten zunehmen und Firmutes-Arten in den Hintergrund treten. Auch genetische Faktoren (Männer und Frauen sind different) und Hormone haben einen Einfluss, so reichert z.B. ein hohes Testosteron Bakterienarten, wie segmentierte filamentöse Bakterien (SFB) und E. coli- oder Shigellen-artige Stämme, an.  Umwelteinflüsse und besonders die Ernährung modofizieren ebenfalls Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. Prevotella-Arten überwiegen bei Menschen, z.B. in Afrika oder Südamerika, die sich ballaststoffreich ernähren, während Bacteroides-Arten bei Menschen dominieren, die sich mit westlicher Diät, also kohlenhydrat- und fettreich ernähren (Wu et al., 2011).
Wichtig:
Die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota kann sich bei einem Wechsel der Nahrung bereits nach wenigen Tagen ändern (Jumpertz et al., 2011).  
Durch Medikamente, Krankheiten und/oder eine ungesunde Ernährung wird das normale Verhältnis der Darmbakterien hin zu einer schlechten Zusammensetzung verschoben (= Dysbiose).
Die Studie möchte analysieren, ob man das mit innovativer Nahrung wieder verbessern oder sogar korrigieren kann.

Warum Ballaststoffe

Die Bakterien im Darm werden vom Immunsystem nicht durch Abwehrreaktionen bekämpft, sondern faszinierender Weise wird eine Toleranz gegenüber diesen „Mitbewohnern“ aufgebaut. Die Erklärung dafür scheint einfach zu sein: Wir Menschen profitieren in vielfältiger Weise von den Darmbakterien und dafür teilen wir mit den Darmbakterien unsere Nahrung. D.h. beide Partner profitieren und man spricht von einer echten Symbiose.
Da unsere Darmbakterien von unverdaulichen pflanzlichen Fasern leben (siehe oben), die also unverdaut den Dickdarm erreichen, ist auch die Wertschätzung einer faserreichen Nahrung in den letzten Jahren deutlich gestiegen.  Aus Sicht der heutigen Medizin trägt eine gesunde Darm-Mikrobiota wesentlich zur Gesundheit des Menschen bei:  
(1)    Eine gesunde Darm-Mikrobiota trägt wesentlich zur intakten Darmbarriere bei, und verhindert so Entzündungsvorgänge in Darm, Leber und Fettgewebe, die durch das Eindringen von Bakterien oder Bakterienbestandteilen in den Organismus ausgelöst werden.
(2)    Kurzkettige Fettsäuren werden als bakterielle Stoffwechselprodukte aus den Ballaststoffen gebildet und werden so für den Menschen verwertbar zur Regulation des Energiehaushaltes und des Zucker- und Fettstoffwechsels.
(3)    Über zahlreichen Interaktionen mit dem Immunsystem des Darmes werden Entzündungsvorgänge und Immunreaktionen sowohl im Darm als auch im gesamten Organismus reguliert, und das Überleben der Darm-Mikrobiota garantiert, ohne unnötige Abwehrreaktionen.  So kann eine gesunde Darm-Mikrobiota durch Produktion von kurzkettigen Fettsäuren auch das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen senken, z.B.: multiple Sklerose, Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, entzündliche Darmerkrankungen, allergische Atemwegserkrankungen, oder chronisch-entzündliche Gelenkerkrankungen sowie schließlich auch für Darmkrebs.   
(4)     Eine gesunde Darmflora reduziert das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken (Singh et al 2014).    
(5)    Schließlich verhindert ein intaktes Darm-Mikrobiom die Besiedlung des Darms mit pathogenen Bakterien (Hooper 2010).   

Wie wirken Ballaststoffe

Der Verzehr von unverdaulichen pflanzlichen Fasern (ballaststoffreiche Kost) ist für unsere Gesundheit von unschätzbarem Wert. Menschen, die sich ballaststoffarm ernähren, haben eine verkürzte Lebenserwartung, bedingt durch eine Vielzahl von Erkrankungen.
Die WHO empfiehlt für Erwachsene den täglichen 20 g Ballaststoffen pro aufgenommene 1000 kcal zu verzehren;  erreichbar durch den Verzehr von Zerealien und ca. 400g frisches Obst und Gemüse. In der Realität werden diese Werte kaum erreicht.
Weshalb sind diese Ballaststoffe so gesund und mehr als nur unverdaulicher Ballast für den Menschen?  
Die Mikroorganismen im Darm (die Darm-Mikrobiota) sind in der Lage die pflanzliche Fasern, u.a. resistente Stärke und Inulin, abzubauen, wodurch als wichtigste Endprodukte kurzkettige Fettsäuren (abgekürzt SCFAs) gebildet werden. SCFA sind kleine Moleküle aus sechs oder weniger Kohlenstoffatomen; am wichtigsten sind Essigsäure (Azetat), Propionsäure (Propionat) und Buttersäure (Butyrat). Sie entstehen im Darm in einem molaren Verhältnis von 60:20:20 (Cummings 1987). Im terminalen Ileum lassen sie sich in geringen Mengen nachweisen, im Caecum (Blinddarm) sind die Konzentrationen am höchsten (130 Mol/kg), um dann im distalen Kolon wieder abzufallen (80 mMol/kg) (Cummings et al., 1987; Smith et al, 2013). Die Konzentrationen der SCFA im Caecum korrelieren gut mit denen in der Pfortader (Jakobsdottir etl., 2013), wenngleich die Butyratkonzentration durch Verbrauch im Kolon in der Pfortader absinkt, wo das Verhältnis 70:20:10 beträgt . Weniger sicher kann man von den SCFA-Konzentrationen im Stuhl auf diejenigen in der Pfortader und im systemischen Kreislauf rückschließen. Im peripheren Blut hat Azetat die höchste Konzentration (143 +/- 13 mol/L), während Propionsäure niedrige (3.8 +/- 0.5 mol/L) und Butyrat noch niedrigere Konzentrationen aufweist; das Verhältnis der drei kurzkettigen Fettsäuren liegt nun bei 90:5:5, bedingt durch den Verbrauch von Propionat in der Leber (Wolever et al., 1997).
Ganz allgemein kann man sagen: je kürzer die Fettsäure, umso weiter dringt sie in den Organismus vor.
Die Produktion der SCFA geht relativ schnell, denn ein Anstieg der Propionsäure im Blut lässt sich bereits 30 Minuten nach einer Mahlzeit beobachten (Lappi et al., 2014).  Die Art und die Menge der gebildeten SCFA hängt ab von der Art der aufgenommenen nichtverdaulichen pflanzlichen Fasern, der Dauer der Darmpassage sowie der Zusammensetzung und der Aktivität der Darm-Mikrobiota. Azetat kann von sehr vielen Bakterienarten gebildet werden, Propionat und Butyrat dagegen nur von einer begrenzten Anzahl von Bakterientypen (Morrison & Preston 2016). Spezies wie Akkermansia municiphilla bilden Propionsäure aus der Muzinschicht des Darmes; aus Desoxyzuckern wie Fukose und Rhamnose entsteht besonders viel Propionsäure  (Morrison & Preston 2016).   Propionsäure wird auf drei verschiedenen Stoffwechselwegen durch die Darm-Mikrobiota erzeugt. Interessanterweise sind diese Stoffwechselwege bei den verschiedenen Bakterienarten, die Propionsäure bilden können, in der Evolution streng konserviert worden (Recihart et al., 2014).
SCFA sind zunächst einmal eine wichtige Energiequelle, sowohl für die Mikroorganismen selbst als auch für den Wirt und decken z.B. bei Gorillas 50 % (Popovich 1997) und beim Menschen in westlichen Ländern bis zu 10 % des Energiebedarfs (Bergmann 1990). SCFA werden rasch durch die Dickdarmschleimhaut aufgenommen. Butyrat wird überwiegend vom Darmepithel selbst verbraucht und stellt dort die wichtigste Energiequelle dar. Propionat dient schon im Darm selbst sowie nach Resorption in der Leber überwiegend der Glukoseneubildung. Azetat wird in vielen Körpergeweben, so in der Muskulatur, der Niere, dem Herz und dem Gehirn überwiegend zu Lipiden verstoffwechselt. Neben ihrer Rolle als Energiequelle sind SCFA auch wichtige Signalmoleküle (siehe oben), indem sie mindestens fünf verschiedenen Rezeptoren an der Oberfläche verschiedener Zellen, aktivieren (u.a. GRP, GPCR) und nach Aufnahme in das Zellinnere durch spezifische Transporter-Moleküle Einfluss auf die Genregulation dieser Zellen nehmen.


Share by: